
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in der Rechtssache C-782/23 (Tauritus) entschieden, dass der Zollwert eingeführter Waren in erster Linie nach der Transaktionswertmethode zu ermitteln ist, auch wenn zum Zeitpunkt der Zollanmeldung nur ein vorläufiger Preis bekannt ist. Entscheidend ist, dass der Mechanismus zur Festlegung des Endpreises im Vertrag klar definiert ist und auf objektiven Kriterien wie Marktnotierungen oder Wechselkursen basiert.
Diese Entscheidung ist von großer praktischer Bedeutung – es bestätigt den Vorrang des Transaktionswerts gegenüber Ersatzmethoden und weist darauf hin, dass Importeure grundsätzlich das vereinfachte Verfahren und ergänzende Anmeldungen nutzen sollten. Infolgedessen haben Unternehmer mehr Vorhersehbarkeit bei der Abrechnung von Zöllen und Umsatzsteuer gewonnen, gleichzeitig ist jedoch die Notwendigkeit entstanden, Anmeldungen sorgfältig zu dokumentieren und zu aktualisieren, um das Risiko von Nachverrechnungen und möglichen Zinsen zu begrenzen.
Sachverhalt
Der Fall betraf das litauische Unternehmen Tauritus, das Kraftstoffe auf der Grundlage von Verträgen importierte, die die Anwendung von vorläufigen Preisen vorsahen. Diese Preise wurden anschließend auf der Grundlage objektiver Faktoren wie durchschnittlicher Marktnotierungen und Wechselkurse im betreffenden Zeitraum angepasst. Der Endpreis konnte sowohl höher als auch niedriger als der ursprünglich vereinbarte Preis sein.
In den Zollanmeldungen gab das Unternehmen den Wert an, der den vorläufigen Preisen entsprach, und wandte dabei die Fallback-Methode an. Nach Erhalt der endgültigen Rechnungen beantragte Tauritus in der Regel eine Berichtigung des Zollwerts. In einigen Fällen wurde jedoch keine Berichtigung vorgenommen, obwohl die Rechnungen höhere Endpreise auswiesen.
Die litauische Zollverwaltung führte nach der Freigabe der Waren eine Kontrolle durch und kam zu dem Schluss, dass die Transaktionswertmethode die richtige Methode sei, und legte den Wert aus den endgültigen Rechnungen zugrunde. Infolgedessen forderte sie die Nachzahlung der Einfuhrumsatzsteuer zuzüglich Zinsen ab dem Tag der ursprünglichen Zollanmeldung.
Der Fall wurde vor Gericht gebracht, und im Laufe des nationalen Verfahrens kamen Zweifel hinsichtlich der richtigen Auslegung der Bestimmungen des EU-Zollkodex auf. Das Oberste Verwaltungsgericht Litauens legte daher dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vor.
Vorabentscheidungsfragen
Das Oberste Verwaltungsgericht Litauens wandte sich bei der Prüfung des Falles mit zwei Fragen zur Auslegung des Zollkodex der Union an den Gerichtshof:
- Kann die Transaktionswertmethode (Art. 70 UZK) angewendet werden, wenn zum Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung nur der vorläufige Preis bekannt ist und der endgültige Preis erst später auf der Grundlage objektiver und unabhängiger Faktoren, die im Vertrag angegeben sind, festgelegt wird?
- Ist der Importeur verpflichtet, einen Antrag auf Berichtigung der Zollanmeldung (Art. 173 Abs. 3 UZK) zu stellen, wenn der endgültige Preis der Waren erst nach ihrer Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr festgelegt wurde?
Mit diesen Fragen sollte geklärt werden, nach welcher Methode der Zollwert bei vorläufigen Preisen zu ermitteln ist und welche Verfahrenspflichten dem Importeur obliegen, wenn der Endpreis erst nach Einreichung der Anmeldung festgelegt wird.
Rechtsgrundlagen – Zollkodex
- Die vorrangige Grundlage für den Zollwert von Waren ist der Transaktionswert, das heißt der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, der erforderlichenfalls anzupassen ist.
- Der tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis ist die vollständige Zahlung, die der Käufer an den Verkäufer oder der Käufer an einen Dritten zugunsten des Verkäufers für die eingeführten Waren leistet oder zu leisten hat, und schließt alle Zahlungen ein, die als Voraussetzung für den Verkauf der eingeführten Waren tatsächlich geleistet werden oder zu leisten sind.
- Der Transaktionswert ist anwendbar, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
- Es bestehen keine Einschränkungen hinsichtlich der Verfügung über die oder Nutzung der Waren durch den Käufer, ausgenommen solche, die
- durch das Gesetz oder von den Behörden in der Union auferlegt oder verlangt werden, oder
- das Gebiet abgrenzen, innerhalb dessen die Waren weiterverkauft werden können, oder
- sich auf den Zollwert der Waren nicht wesentlich auswirken,
- der Verkauf oder der Preis unterliegt keinen Bedingungen oder Leistungen, deren Wert im Hinblick auf die zu bewertenden Waren nicht bestimmt werden kann,
- dem Verkäufer kommt kein Anteil des Erlöses aus späteren Weiterverkäufen, Verfügungen oder Verwendungen der Waren durch den Käufer unmittelbar oder mittelbar zugute, es sei denn, eine angemessene Anpassung ist möglich,
- der Käufer und der Verkäufer sind nicht verbunden oder die Verbindung hat den Preis nicht beeinflusst.
- Kann der Zollwert von Waren nicht nach Artikel 70 bestimmt werden, so werden die Voraussetzungen des Absatzes 2 Buchstaben a bis d nacheinander geprüft, bis der erste Buchstabe erreicht ist, nach dem der Zollwert der Waren bestimmt werden kann.
- Der Zollwert nach Absatz 1 ist
- der Transaktionswert gleicher Waren, die zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union verkauft und zu demselben oder annähernd demselben Zeitpunkt wie die zu bewertenden Waren ausgeführt wurden,
- der Transaktionswert ähnlicher Waren, die zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union verkauft und zu demselben oder annähernd demselben Zeitpunkt wie die zu bewertenden Waren ausgeführt wurden,
- der Wert auf der Grundlage des Preises je Einheit, zu dem die eingeführten Waren oder eingeführte gleiche oder gleichartige Waren in der größten Menge insgesamt im Zollgebiet der Union an Personen verkauft werden, die nicht mit den Verkäufern verbunden sind,
- der errechnete Wert, bestehend aus der Summe folgender Elemente:
- Kosten oder Wert des Materials, der Herstellung sowie sonstiger Be- oder Verarbeitungen, die bei der Erzeugung der eingeführten Waren anfallen,
- Betrag für Gewinn und Gemeinkosten, der dem Betrag entspricht, der üblicherweise von Herstellern im Ausfuhrland bei Verkäufen von Waren der gleichen Art oder Beschaffenheit wie die zu bewertenden Waren zur Ausfuhr in die Union angesetzt wird,
- Kosten oder Wert aller anderen in Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe e genannten Elemente.
- Kann der Zollwert nicht nach Absatz 1 bestimmt werden, so erfolgt die Bestimmung auf der Grundlage von im Zollgebiet der Union verfügbaren Daten und unter Einsatz sinnvoller Hilfsmittel entsprechend den Grundsätzen und allgemeinen Bestimmungen aller folgenden Rechtsinstrumente:
- des Übereinkommens zur Durchführung von Artikel VII des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens,
- des Artikels VII des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens,
- dieses Kapitels.
- Die Zollbehörden können zulassen, dass eine Person Waren aufgrund einer vereinfachten Zollanmeldung, in der auf bestimmte der in Artikel 162 genannten Angaben oder der in Artikel 163 genannten Unterlagen verzichtet werden kann, in ein Zollverfahren überführt.
- Eine regelmäßige Inanspruchnahme der vereinfachten Zollanmeldung nach Absatz 1 muss von den Zollbehörden bewilligt werden.
- Im Falle einer vereinfachten Zollanmeldung nach Artikel 166 oder einer Anschreibung in der Buchführung des Anmelders gemäß Artikel 182 gibt der Anmelder bei der zuständigen Zollstelle innerhalb einer bestimmten Frist eine ergänzende Anmeldung mit den Angaben ab, die für das betreffende Zollverfahren erforderlich sind.
- Im Falle einer vereinfachten Zollanmeldung nach Artikel 166 müssen die erforderlichen Unterlagen innerhalb einer bestimmten Frist im Besitz des Anmelders sein und für die Zollbehörden bereitgehalten werden.
- Die ergänzende Anmeldung kann globaler, periodischer oder zusammenfassender Art sein.
- Die Verpflichtung zur Abgabe einer ergänzenden Anmeldung gilt in folgenden Fällen nicht:
- wenn die Waren in ein Zolllagerverfahren überführt wurden,
- in anderen bestimmten Fällen.
- Die Zollbehörden können unter den folgenden Bedingungen auf die Abgabe einer ergänzenden Anmeldung verzichten:
- Die vereinfachte Zollanmeldung bezieht sich auf Waren, deren Wert und Menge unter dem statistischen Schwellenwert liegen,
- die vereinfachte Zollanmeldung enthält bereits sämtliche Informationen, die für das betreffende Zollverfahren erforderlich sind, und
- die vereinfachte Zollanmeldung wird nicht mittels einer Anschreibung in der Buchführung des Anmelders vorgenommen.
- Die in Artikel 166 genannte vereinfachte Zollanmeldung oder die Anschreibung in der Buchführung des Anmelders gemäß Artikel 182 und die ergänzende Zollanmeldung gelten zusammen als eine untrennbare Willenserklärung, die zum Zeitpunkt der Annahme der vereinfachten Zollanmeldung nach Artikel 172 beziehungsweise zum Zeitpunkt der Anschreibung der Waren in der Buchführung des Anmelders wirksam wird.
- Der Ort, an dem die ergänzende Zollanmeldung abzugeben ist, gilt für die Zwecke des Artikels 87 als Ort der Abgabe der Zollanmeldung.
Die wichtigsten Thesen des Urteils des EuGH
Der Gerichtshof hat daran erinnert, dass die grundlegende Methode zur Ermittlung des Zollwerts die Transaktionswertmethode gemäß Art. 70 UZK ist und andere im Kodex vorgesehene Methoden nur ergänzenden Charakter haben. Das Fehlen eines endgültigen Preises am Tag der Annahme der Anmeldung reicht nicht aus, um die Anwendung dieser Methode auszuschließen, sofern der Endpreis auf der Grundlage objektiver Kriterien, die von den Parteien der Transaktion unabhängig sind, bestimmt werden kann.
Wesentliche Elemente des Urteils:
- Objektive Kriterien als Grundlage – wenn der Mechanismus zur Festlegung des Endpreises auf vorab festgelegten, von den Parteien unabhängigen Indikatoren (z. B. Kraftstoffnotierungen, Wechselkurse) basiert, sollte der Zollwert auf der Grundlage des fälligen Preises ermittelt werden, auch wenn dieser zum Zeitpunkt der Zollanmeldung noch nicht bezahlt wurde.
- Der Importeur hat keine Wahlfreiheit bei der Methode – die Artikel 70 bis 74 des UZK legen eine klare Hierarchie der Methoden zur Ermittlung des Zollwerts fest. Ersatzmethoden dürfen nur angewendet werden, wenn es nicht möglich ist, den Zollwert anhand der Transaktionsmethode zu ermitteln.
- Das vereinfachte Verfahren als geeignetes Instrument – bei vorläufigen Preisen sollte der Importeur eine vereinfachte Anmeldung verwenden und anschließend nach Erhalt der endgültigen Rechnung eine ergänzende Anmeldung einreichen, um die Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit der Anmeldungen zu erfüllen.
Schließlich stellte der EuGH fest, dass:
„wenn zu dem Zeitpunkt, zu dem Waren in das Zollgebiet der Union eingeführt werden, nur deren vorläufiger, auf einer Pro-forma-Rechnung angegebener Preis bekannt ist und der Kaufvertrag vorsieht, dass ihr Endpreis später durch eine endgültige Rechnung auf der Grundlage bestimmter im Voraus festgelegter objektiver Faktoren festgesetzt wird, deren Wert vom Willen der Parteien unabhängig und den Parteien zum Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung nicht bekannt ist – wie z. B. der durchschnittliche Wechselkurs bestimmter Währungen oder der durchschnittliche Kurs bestimmter Erzeugnisse in einem bestimmten Zeitraum –, der Zollwert dieser Waren nach der in diesem Artikel vorgesehenen Transaktionswertmethode zu ermitteln ist, wobei grundsätzlich das vereinfachte Zollanmeldungsverfahren nach den Art. 166 und 167 des Zollkodex der Union anzuwenden ist.“
Das Urteil des EuGH in der Rechtssache C-782/23 (Tauritus) bestätigt, dass die Transaktionswertmethode auch bei vorläufigen Preisen das Grundprinzip für die Ermittlung des Zollwerts bleibt. Der Gerichtshof wies darauf hin, dass das Vorhandensein eines vertraglichen Mechanismus, der eine objektive Festlegung des Endpreises unabhängig vom Willen der Parteien ermöglicht, von entscheidender Bedeutung ist.
Gleichzeitig wurde betont, dass Importeure in solchen Fällen das vereinfachte Anmeldeverfahren nutzen und ihre Anmeldungen nach Erhalt der endgültigen Rechnung ergänzen sollten. Wird eine solche Berichtigung nicht vorgenommen, kann dies zu einer Nachveranlagung des Zollwerts und – gemäß nationalem Recht – zur Berechnung von Zinsen führen.
Das Urteil ist von praktischer Bedeutung für Unternehmer, die in Branchen tätig sind, in denen die Preise auf der Grundlage variabler Marktindizes festgelegt werden, und legt einen Verhaltensstandard fest, auf den sich auch die Zollbehörden in den EU-Mitgliedstaaten beziehen werden.
Rechtsgrundlage:
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