Statt zwei, nun drei AKWs in Polen
12 November 2022
12 November 2022
Das sind nach Angaben von Klima- und Umweltministerin Anna Moskwa die Kennziffern für das erste polnische Atomkraftwerk. Gebaut wird es mit der Technologie des US Kraftwerksausrüsters Westinghouse, hat die polnische Regierung jetzt entschieden. Als Standort ist dafür das an der Ostsee gelegene Lubiatowo-Kopalino vorgesehen. Der Standort befindet sich am nördlichen Zipfel von Kaschubien, knapp 100 Kilometer westlich von Danzig (Gdańsk) entfernt. 2026 sollen die Bauarbeiten beginnen. 2033 soll der erste APR -1000 Druckwasser-Reaktor von Westinhouse in Betrieb gehen. Die Amerikaner galten von Anfang an als Favoriten für den Bau der zwei im staatlichen Energieprogramm festgelegten Atomkraftwerke, für die auch der französische Energie- Konzern EDF und der südkoreanische Konzern KHNP ihre Angebote abgegeben hatten. Dafür sprachen die intensiven politischen Vorverhandlungen und der noch in der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump abgeschlossene polnisch-amerikanische Partnerschaftsvertrag für die Entwicklung der Kernenergie in Polen. Bereits bei der Vorlage ihres 2000 Seiten umfassenden Angebots im September wähnten sich die Amerikaner bereits auf der Sieger-Strasse. ,,Polen wird keine besseren Partner als Westinghouse finden.“, triumphierte der US-Botschafter in Polen, Brzezinski. Die Amerikaner drängten darauf, dass die polnische Regierung bis zum 12.Oktober ihre Entscheidung zur Auswahl des Partners für den Bau der Kernkraftwerke treffen sollte. Die polnische Regierung zögerte jedoch die Entscheidung hinaus. Sie sollte davon abhängig gemacht werden, dass der Partner für das polnische Atomenergie-Programm 49 Prozent der Anteile an der Gesellschaft PEJ (Polnische Atomkraftwerke) übernimmt, eine entsprechende Finanzierung liefert und sich nicht nur am Bau, sondern auch am späteren Betrieb der Atomkraftwerke beteiligt. Das Angebot der Amerikaner war jedoch weit von diesen Werten entfernt, berichtete das Nachrichtenportal money.pl unter Berufung auf nicht benannte Informationsquellen aus Regierungskreisen.
In der polnischen Regierung gab es daher die Überlegung, den Bau der beiden im polnischen Energie-Programm geplanten Kernkraftwerke auf zwei Partner aufzuteilen. Das Angebot des südkoreanischen Konzerns KHNP hat dabei einen besonderen Stellenwert. Wie schon bei den spektakulären Rüstungs-Käufen im Sommer, die Südkorea zu einem neuen strategischen Partner für Polen machen, beinhaltet das KHNP-Angebot auch Kompensationsleistungen (Offset). Darauf legt Warschau großen Wert.. So soll der koreanische Technologietransfer auch den Bau einer Fabrik in Polen für die Herstellung von Elementen für Kernreaktoren vorsehen. Das Lavieren der polnischen Regierung mit dem Konkurrenz-Angebot aus Asien löste in Washington Unruhe aus. Der Drohung, den Atom-Deal mit den Koreanern zu blockieren, folgten Taten. Am 21. Oktober reichte Westinghouse vor einem amerikanischen Gericht Klage gegen den koreanischen KHNP-Konzern ein. Das US-Unternehmen teilte mit, es habe Kenntnis davon erhalten, dass KHNP im Begriff sei, eine Absichtserklärung mit der polnischen Regierung zur Lieferung von APR-1400-Reaktoren an Polen zu unterzeichnen. Für einen solchen Prozess sei die Zustimmung von Westinghouse und eine Genehmigung des US-Energieministeriums erforderlich. Westinghouse beruft sich in seiner Klage darauf, dass KHNP für seine Atom-Reaktoren ein Reaktor-Design benutze, dass geistiges Eigentum von Westinghouse sei.
Überstürzt reisten darauf hin Vizepremier Jacek Sasin und Klima- und Umweltministerin Moskwa nach Washington, um bei den amerikanischen Partnern die Wogen des Konflikta zu glätten. Herausgekommen ist das, was die Bezeichnung ,,polnische Atom-Diplomatie” verdient. Ministerpräsident Morawiecki gab danach bekannt, dass seine Regierung den US-Konzern Westinghouse für den Bau des ersten Atomkraftwerks in Polen im Rahmen des staatlichen Energieprogramms ausgewählt habe. Nach der Bekanntgabe wurde 48 Stunden später in Seoul eine Absichtserklärung mit dem koreanischen KHNP-Konzern zum Aufbau eines Atomkraftwerks in Pątnów östlich von Poznań unterzeichnet. Vertragspartner ist aber nicht die Regierung bzw. der polnische Staat, sondern der staatlich kontrollierte Energie-Konzern PGE als Polens größter Strom-Erzeuger sowie das private Braunkohle-Kraftwerk ZE PAK. Polens Vizepremier Sasin legte nach der Vertragsunterzeichnung in Südkorea größten Wert auf die Feststellung, dass die Regierung das koreanische Projekt völlig getrennt vom staatlichen Atomenergie- Programm behandelt, es aber dennoch als halbstaatliches kommerzielles Projekt die Unterstützung der polnischen Regierung habe. Damit wird de facto die Zielstellung manifestiert, dass in Polen nicht nur die zwei im staatlichen Energieprogramm-Programm festgelegten Kernkraftwerke gebaut werden, sondern ein darüber hinausgehender dritter Atomeiler. Nach der Entscheidung zugunsten von Westinghouse ist weiterhin offen, wer das zweite im staatlichen Energieprogramm geplante Atomkraftwerk bauen wird.
Quelle: Wirtschafts-Markt Polen (15-2022 Ausgabe 319)
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