Neue Vorschriften und wichtige Urteile im Arbeitsrecht: Kollektivverträge, Verbot von unbezahlten Berufspraktika und Grenzen der Meinungsfreiheit
19 August 2025
19 August 2025
Das Ministerium für Familie, Arbeit und Sozialpolitik hat den lang erwarteten Gesetzentwurf über Tarifverträge und Kollektivvereinbarungen veröffentlicht. Dieser Entwurf, der derzeit nach der Zustimmung des Ständigen Ausschusses des Ministerrats (Beschluss vom 24. Juli 2025) vorliegt, soll den bisherigen Abschnitt XI des Arbeitsgesetzbuches ersetzen und die Problematik der Tarifverträge im polnischen Arbeitsrecht umfassend regeln. Einer der am meisten diskutierten Vorschläge ist die Einführung einer Verpflichtung für Arbeitgeber, bei denen eine Betriebsgewerkschaft tätig ist und die nicht unter einen Tarifvertrag fallen, alle zwei Jahre Verhandlungen aufzunehmen.
Gemäß den geplanten Bestimmungen sind Arbeitgeber mit mindestens 50 Beschäftigten, bei denen mindestens eine Betriebsgewerkschaft tätig ist und die nicht unter einen Tarifvertrag fallen, verpflichtet, alle zwei Jahre Verhandlungen aufzunehmen, um einen solchen Vertrag abzuschließen. Die Verhandlungen müssen auf Initiative einer der Parteien aufgenommen werden, wobei die Verpflichtung besteht, sie tatsächlich durchzuführen. Das Ausbleiben einer Initiative oder Untätigkeit gilt als Verstoß gegen die gesetzliche Verpflichtung.
Diese Verhandlungspflicht bedeutet aber nicht, dass automatisch ein Vertrag zustande kommt – die Parteien behalten weiterhin die Freiheit, sowohl den Inhalt als auch den Abschluss der Vereinbarung zu bestimmen. Jedoch die bloße Nichtaufnahme von Verhandlungen (z. B. durch die Verweigerung von Gesprächen oder Vermeidung von Antworten) kann jedoch zu einer Verantwortlichkeit des Arbeitgebers führen, einschließlich der Einleitung eines kollektiven Arbeitskonflikts.
Der Gesetzentwurf sieht auch wesentliche Änderungen im Bereich der Registrierungsverfahren und der Verfügbarkeit von Informationen über Vereinbarungen vor. Es ist vorgesehen, ein zentrales elektronisches Register für Tarifverträge und Kollektivvereinbarungen einzurichten, das vom für Arbeit zuständigen Minister geführt wird. Dieses Register soll öffentlich und allgemein zugänglich sein.
Darüber hinaus sollen die formalen Anforderungen für den Abschluss von Vereinbarungen vereinfacht werden – der Entwurf ermöglicht es, eine Vereinbarung auf der Grundlage eines einheitlichen elektronischen Dokuments abzuschließen, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, was die Bearbeitungszeit erheblich verkürzt.
Ein wichtiger Bestandteil des neuen Gesetzes ist ein offener Katalog von Themen, die in Tarifverträgen geregelt werden können. Neben den klassischen Themen wie Gehalt und Arbeitszeit erlaubt der Entwurf unter anderem die Aufnahme von Regeln zur Bekämpfung von Mobbing, beruflichem Stress und Lohnungleichheit sowie zum Einfluss digitaler Technologien und künstlicher Intelligenz auf die Arbeitsbedingungen in den Vertrag. Dies ist eine Reaktion auf das sich dynamisch verändernde Arbeitsumfeld und den immer breiteren Einsatz neuer Technologien.
Das Gesetz sieht auch wesentliche Änderungen im Verfahren zur Behandlung von Tarifstreitigkeiten vor. Bei Konflikten über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung von Verhandlungen oder der Anfechtung der Rechtmäßigkeit eines Streiks wird das Arbeitsgericht entscheiden. Damit soll die Zahl der Fälle reduziert werden, in denen ein Konflikt aufgrund verfahrensrechtlicher Zweifel „eingefroren” wird, und gleichzeitig soll ein schnellerer Schutz der Rechte der Verhandlungsparteien gesichert werden.
Der neue Entwurf bedeutet eine erhebliche Ausweitung der Rolle von Tarifverträgen im polnischen Rechtssystem. Zum ersten Mal führt der Gesetzgeber eine echte Verpflichtung für Arbeitgeber ein, einen sozialen Dialog aufzunehmen, der bisher in der Praxis oft ignoriert wurde – insbesondere im privaten Sektor. Für Arbeitgeber bedeutet dies die Notwendigkeit:
Aus der Perspektive der Gewerkschaften eröffnet der Entwurf neue Möglichkeiten, Einfluss auf die Lohnpolitik, die Arbeitsbedingungen und den sozialen Dialog zu nehmen. Spannungen und Herausforderungen werden jedoch unvermeidlich sein – sowohl bei der ersten Umsetzung der neuen Regeln als auch bei der Beilegung von Streitigkeiten über die Auslegung der Vorschriften.
Das Ministerium für Familie, Arbeit und Sozialpolitik hat am 23. Juli 2025 mit der Arbeit an einem Gesetz zum Verbot von unbezahlten Praktika begonnen. Im Rahmen dieser Maßnahmen wurden Vorabkonsultationen organisiert, an denen Vertreter von Jugend-, Studenten- und Sozialorganisationen sowie öffentlichen Einrichtungen teilnahmen. Laut Ministerin Agnieszka Dziemianowicz-Bąk sind Personen, die in den Arbeitsmarkt eintreten, besonders anfällig für Missbrauch, ungerechte und ungleiche Behandlung. Das Ministerium kam zu dem Schluss, dass es an der Zeit ist, dieser Form der Ausbeutung ein Ende zu setzen, und die Arbeiten an dem Gesetz sind ein erster Schritt zur Schaffung eines gerechten Systems, in dem jede Arbeit, auch die von Berufseinsteigern, angemessen bezahlt wird.
Laut der Mitteilung ist die Praxis der unbezahlten Praktika europaweit verbreitet. Auf EU-Ebene wird derzeit an einer Richtlinie gearbeitet, die diese Form der Beschäftigung verbieten soll. Im Rahmen der polnischen EU-Ratspräsidentschaft konnte eine Einigung erzielt und Empfehlungen zu dieser Richtlinie verabschiedet werden. Die Ministerin betonte, dass die neuen Vorschriften nicht nur unbezahlte Praktika abschaffen, sondern auch deren Attraktivität und Zugänglichkeit nicht nur für junge Menschen, sondern auch für Arbeitslose und Berufswechsler erhöhen sollen. Sie werden den Praktikanten einen echten Schutz und eine Bezahlung für ihre Arbeit gewährleisten, und Praktika werden ein wichtiges Instrument zur beruflichen Aktivierung und zum Sammeln von Erfahrungen bleiben – jedoch nur in Form einer entsprechenden Belohnung.
Während einer Pressekonferenz in Wrocław betonte Ministerin Dziemianowicz-Bąk, dass das Ziel nicht nur darin bestehe, jungen Menschen Arbeit zu verschaffen, sondern vor allem gute Arbeitsplätze, die nicht den Kriterien der sogenannten „Shitty Jobs” entsprechen. Sie warnte, dass Praktika, die formal als Praktika bezeichnet werden, aber in Wirklichkeit einer unbezahlten Vollzeitbeschäftigung entsprechen, nicht akzeptabel sind.
An dem Konsultationstreffen nahmen auch Arbeitgeberverbände sowie Gewerkschaftsvertreter teil. Die OPZZ unterstrich die Notwendigkeit, die Vorschriften zu verschärfen, verbindliche Mindestlohnstandards (mindestens in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns) festzulegen und klare Anforderungen an die Form von Praktikumsverträgen zu definieren. Vertreter der Arbeitgeber, darunter auch kleine und mittlere Unternehmen, warnten hingegen, dass nicht alle Betriebe in der Lage sein werden, vollständig vergütete Praktika anzubieten, was die Zahl der verfügbaren Plätze verringern könnte.
Das Ministerium kündigte an, den Gesetzgebungsprozess im Dialog mit den Sozialpartnern fortzusetzen. Der Entwurf soll in den kommenden Wochen in die Liste der Gesetzgebungsvorhaben aufgenommen werden.
Kürzlich hat das Bezirksgericht Warschau-Śródmieście (Az. VIII P 699/23, Urteil noch nicht rechtskräftig) bestätigt, dass öffentliche Äußerungen eines Arbeitnehmers, die geschützte Gruppen ausschließen, eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen können – selbst dann, wenn sie auf dessen persönlichen Weltanschauungen beruhen.
Der Fall betraf einen Mitarbeiter, der während seiner krankheitsbedingten Abwesenheit auf die Einladung seines Arbeitgebers zur Teilnahme an der Pride-Parade reagierte, indem er eine E-Mail an das gesamte Team schickte. Darin sprach er sich ausdrücklich gegen die LGBTQ+-Gemeinschaft aus und kritisierte die Förderung dieser Werte durch den Arbeitgeber. Trotz eines ausdrücklichen Verbots seiner Vorgesetzten setzte er den E-Mail-Austausch fort, was als destabilisierend für das Team und unvereinbar mit den Unternehmenswerten gewertet wurde.
Zudem nutzte der Mitarbeiter während seiner Abwesenheit dienstlich Geräte. Infolgedessen kündigte der Arbeitgeber ihm unter Verweis auf die Nichtbefolgung von Arbeitsanweisungen, die Verletzung der Regeln des sozialen Zusammenlebens, das Handeln gegen interne Vorschriften und die Gefahr der Schädigung des guten Rufs des Unternehmens.
Der Arbeitnehmer reichte eine Klage auf Wiedereinstellung und Schadensersatz ein und machte geltend, aufgrund seiner Überzeugungen diskriminiert worden zu sein. Das Gericht wies diese Argumentation jedoch zurück und stellte fest, dass die Teilnahme an der Pride-Parade eine freiwillige Initiative der Beschäftigten war und der Arbeitgeber kein ideologisches Engagement verlangte. Zudem hatte der Arbeitnehmer zuvor niemals Einwände gegen andere Maßnahmen des Arbeitgebers erhoben.
Ausschlaggebend war der Inhalt der E-Mail, in der die Ablehnung der LGBTQ+-Gemeinschaft als ausgrenzend und geeignet angesehen wurde, bei den Empfängern negative Emotionen hervorzurufen. Obwohl keine Schimpfwörter verwendet wurden, verstieß diese Mitteilung gegen die Regeln der akzeptierten Kommunikation am Arbeitsplatz und beeinträchtigte das Arbeitsklima im Team. Das Gericht wies auch auf die negativen Kommentare des Mitarbeiters auf LinkedIn hin, wo er den Weltunternehmerinnentag kritisierte, indem er die Veranstaltung als „feministische Propaganda” bezeichnete und Frauen negative Eigenschaften zuschrieb, was dem Ruf des Unternehmens schaden konnte.
Es wurde betont, dass der Arbeitgeber Geduld gezeigt und den Arbeitnehmer mehrfach aufgefordert hatte, die Diskussion zu beenden, dieser jedoch die Aufforderungen und Anweisungen ignorierte und eine konfrontative Haltung einnahm. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass der Arbeitnehmer den Verhaltenskodex des Unternehmens kannte, den er mit seinem Verhalten offensichtlich nicht respektierte.
Infolgedessen entschied das Gericht, dass die Kündigung des Arbeitsvertrags aufgrund der konkreten Handlungen des Arbeitnehmers und nicht aufgrund seiner Weltanschauung gerechtfertigt war. Es gab keine Gründe für eine Wiedereinstellung und die Zahlung von Schadensersatz.
Das Urteil hat praktische Bedeutung, da es zeigt, dass Arbeitgeber auf Verhaltensweisen reagieren müssen, die die Würde anderer verletzen und den Werten des Unternehmens widersprechen. Selbst wenn Äußerungen im Rahmen der Meinungsfreiheit liegen, können sie beanstandet werden, wenn sie ausgrenzend sind oder das Team destabilisieren. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, klare Vorschriften, eine Politik der Vielfalt und eine offene Kommunikation zu implementieren, die sowohl die Arbeitnehmer als auch die Interessen und das Image des Arbeitgebers schützen.
Quelle: Der Artikel wurde in Zusammenarbeit mit unserem Kooperationspartner sdzlegal Schindhelm Law Office erstellt.
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